Digitale Einkaufsbegleiter

Die Nutzung von Smartphones für die Kaufentscheidung

Smartphones werden immer beliebter – und halten zunehmend Einzug in unseren Alltag. In Deutschland nutzen inzwischen 80 Prozent der Erwachsenen (bei insgesamt 110 Millionen Mobilfunkanschlüssen) ein Mobiltelefon. Dabei zeigt sich, dass das klassische Handy zunehmend durch internetfähige und um Zusatzprogramme (sog. Apps) erweiterbare Smartphones ersetzt wird. Hiermit geht auch ein verändertes Nutzungsverhalten einher: So stieg in den letzten Jahren stetig der Anteil der Handynutzer, die E-Mail-Dienste in Anspruch nehmen oder mobil auf das Internet zugreifen. Auf diese Weise haben Shopper mittels Smartphones die Möglichkeit, zu jeder Zeit und ortsunabhängig auf eine Vielzahl unterschiedlicher Informationen zurückzugreifen und diese bei ihrer Kaufentscheidung zu berücksichtigen. Nicht zuletzt wegen Preisvergleichs- und Informations-Apps wie barcoo (vgl. Abb. 1) ist zu erwarten, dass Shopper ihr Smartphone auch direkt am Point of Sale (PoS) nutzen, um zusätzliche Informationen zu den Produkten im Regal abzurufen.

Trotz dieser enormen Bedeutung der Smartphones für den Alltag vieler Menschen gibt es kaum Untersuchungen zu ihrer Nutzung im Rahmen von Kaufentscheidungen. Aus Studien zur stationären Nutzung des Internet ist bekannt, dass potentielle Kunden über ihren Computer zur Vorbereitung ihrer Einkäufe auf das Internet zugreifen: Vor allem werden so Produktinformationen gesucht, Preisvergleiche angestellt oder Kundenbewertungen gelesen.

Bezüglich der kaufrelevanten mobilen Nutzung des Internets auf Smartphones liegen aber kaum gesicherte Erkenntnisse vor. So bleibt unklar, ob das stationäre Nutzungsverhalten auch auf den mobilen Zugriff übertragen werden kann. Die Unterscheidung zwischen stationärem und mobilem Zugriff auf das Internet ist dabei aber durchaus von großer Bedeutung. Smartphones ermöglichen nämlich eine mobile, ortsunabhängige Informationsbeschaffung. So können Kaufinteressierte direkt am PoS und unmittelbar vor der Kaufentscheidung Informationen abrufen. Auf diese Weise treffen bspw. die Lebensmittelampel, Vergleichspreise oder Nachhaltigkeitsinformationen zum Hersteller oftmals kurz vor einer Kaufentscheidung auf die Shopper und beeinflussen deren Kaufentscheidung maßgeblich.

Einen ersten Hinweis auf den Einfluss von Smartphones am Point of Sale geben die beiden Saarbrücker Forscher Philipp Broeckelmann und Andrea Groeppel-Klein. In ihrer 2008 veröffentlichten Studie sollten sich Kunden eines Elektro-Fachgeschäftes über die Preise einiger Produkte mittels Smartphone informieren. Die Ergebnisse zeigen einen Einfluss der am PoS abgerufenen Informationen auf das Vertrauen der Shopper zum Händler, auf die eingeschätzte Preiskompetenz des Händlers und die Kaufintention der Shopper. Dennoch bleiben wichtige Fragen offen: Wie nutzen Shopper mobile Dienste bei Kaufentscheidungen? Wo und wann werden zusätzliche Informationen per Smartphone abgerufen? Und welchen Einfluss haben diese auf die Kaufentscheidung? Steve Yankovich, Vice President bei eBay Mobile, beschreibt die Problemstellung wie folgt: “Es geht darum zu verstehen, wo der Konsument sich befindet, wenn er beginnt, sich für ein Produkt zu interessieren, das gekauft oder verkauft werden soll. Meiner Meinung nach befinden wir uns zumeist nicht vor einem Laptop” (zitiert nach www.golem.de/showhigh2.php).

Ziel der gemeinsamen Studie der Universität Siegen, von checkitmobile aus Berlin und der Shoppermetrics GmbH & Co. KG aus Hamburg war es, den Antworten auf diese Fragen näher zu kommen.  Dafür erfassten wir die Nutzungsmuster mobiler Dienste im Rahmen von Kaufentscheidungsprozessen. Für die Untersuchung konnten wir auf die anonymen Ereignisprotokolldaten (Logfiles) der mobilen Applikation barcoo der Firma checkitmobile zurückgreifen, die für verschiedene Mobiltelefon- bzw. Smartphoneplattformen verfügbar ist. Mittels dieser Applikation können Shopper zeit- und ortsunabhängig Produktinformationen sowie Zusatzinformationen (z.B. Nutzerkommentare, Kundenrezensionen, Nährwerttabellen) abrufen und Preisvergleiche mit Online-Shops oder anderen Geschäften durchführen. Die Applikation erlaubt es den Benutzern sowohl nach Artikelbezeichnungen zu suchen, als auch mittels Scanvorgängen den EAN-Barcode zu erfassen. Dabei wird jeder Suchvorgang in Logfiles gespeichert. Auf diese Weise liegen für jede Nutzung der Applikation eine eindeutige ID, das auf dem Smartphone installierte Betriebssystem, der EAN-Code, der Name und die Kategorie des gescannten Produktes, dessen günstigster Preis in Online-Shops sowie die Zeit und das Datum vor.

Der uns von checkitmobile zur Verfügung gestellte Ausschnitt der Logfiles umfasst 2.053.655 aktuelle Such- oder Scanvorgänge, in der jeweils Informationen zu einem Produkt angefragt, in der barcoo-Datenbank zugeordnet und schließlich dem Nutzer des Smartphones angezeigt wurden. Nur 5% dieser Abfragen erfolgten über die manuelle Suche, also der Eingabe der Artikelbezeichnung in das Suchfeld der Applikation. Die restlichen 95% der Abfragen wurden durch das Scannen des EAN-Barcodes ausgelöst. Dieses Ergebnis überrascht kaum, bedenkt man, dass die manuelle Eingabe den gesuchten Artikel nicht immer eindeutig identifiziert und deshalb mit einer geringeren Erfolgsquote einhergeht. Daneben erspart das Scannen des EAN-Barcodes die aufwändigere händische Eingabe. Tatsächlich wurde vor allem dann auf die manuelle Eingabe der Artikelbezeichnung zurückgegriffen, wenn ein Produkt aus den Kategorien gesucht wurde, für die am PoS oftmals keine EAN-Barcodes zur Verfügung stehen: So wurden insbesondere Kühlschränke und andere Geräte, die unverpackt in den Regalen stehen, auf diese Weise abgefragt. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass sich Shopper bei der Nachfrage von Zusatzinformationen offensichtlich auch dann nicht vom Abruf dieser Informationen abhalten lassen, wenn die Eingabe weniger einfach und problemlos erfolgt.

Betrachtet man sich die Kategorien, für deren Produkte Zusatzinformationen abgerufen wurden, erstaunt zunächst der sehr hohe Anteil an Lebensmitteln. Mit insg. 64% aller erfolgreichen Suchvorgänge wurden Artikel aus dieser Kategorie häufiger abgefragt als alle anderen Kategorien zusammen. Ein Drittel der Suchvorgänge in der Kategorie Lebensmittel bezog sich auf Getränke. An zweiter Stelle aller Abfragen folgten Artikel aus der Kategorie Beauty & Kosmetik und Bücher (jeweils 8%). Artikel aus diesen drei Kategorien umfassten bereits 80% aller Suchabfragen der Nutzer. Daneben standen vor allem Artikel aus den Kategorien Tabakwaren sowie Datenträger (DVDs, CDs) im Fokus des Interesses.

Der Hohe Anteil an Suchabfragen zu Artikeln aus der Kategorie Lebensmitteln ist vor allem deshalb überraschend, weil gerade in dieser Kategorie Preisvergleiche mit Online-Shops eine eher untergeordnete Rolle spielen sollten. Wahrscheinlicher sind aus unserer Sicht zwei andere Gründe für die Häufung der Informationsabrufe von Lebensmitteln. Zum einen scheinen manche Nutzer nach der Installation der Applikation zunächst deren Funktionsweise auszuprobieren und ihnen leicht zugängliche Produkte abzufragen. Lebensmittel gehören neben Getränken sicherlich zu den am leichtesten zugänglichen Produkten, die uns oft umgeben. Daneben bietet die barcoo Applikation mit der Lebensmittelampel und zusätzlichen Nachhaltigkeitsinformationen über die Hersteller einen interessanten Zusatznutzen, der über Preisvergleiche hinausgeht. Insbesondere bei Lebensmitteln spielen diese Informationen sicherlich eine besondere Rolle. Interessant wird es sein, an dieser Stelle die Ergebnisse einer gerade von uns durchgeführten experimentellen Studie abzuwarten, in der wir die Bedeutung dieser Informationen für die Kaufentscheidung untersucht haben.

Autoren:

  • Dr. Gunnar Mau, Partner von Shoppermetrics und Wissenschaftler an der Universität Siegen,
  • Prof. Dr. Hanna Schramm-Klein ist Inhaberin des Lehrstuhls für Marketing an der Universität Siegen,
  • Dipl.-Kfm. Gerhard Wagner ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Marketing der Universität Siegen
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